Dienstag, 30. März 2010

Affendiebstahl

Dreimaliger Affendiebstahl, wobei es zweimal beim Versuch geblieben ist. Nicht dass jemand Affen stehlen wollte, nein, die Affen sind die Täter.

Wir haben in unserer Wohnung in Orchha eine Küche, die nur über den Balkon zu betreten ist. Sie hat also eine Tür nach außen. Das erste Mal war es vor ungefähr zwei Wochen: ich lese ein Buch in der Hängematte am Balkon und höre plötzlich, dass es in unserer Küche scheppert. Als ich nachsehen will springt ein Hanuman Affe (ich hab mich erkundigt welche das sind), aus unserer Küche mit Äpfeln in der Hand. Dann setzt er sich einige Meter neben mich und isst gemütlich unsere Äpfel. Das Toastbrot wollte er offenbar nicht, er hat zwar die Folie geöffnet und alles verstreut, es aber dann doch liegen lassen. Wir nehmen uns vor, von nun an die Tür nicht mehr offen zu lassen.

Ein paar Tage später sitzen wir beim Frühstück und wieder kommen Affen auf Diebestour. Einer stellt sich ruhig hinter Carina. Als ich Carina darauf aufmerksam mache, dass hinter ihr ein Affe sitzt, fängt sie vor Schreck zu schreien an, woraufhin der Affe eine etwas verstörte Miene zieht und sich davon macht.

Vorgestern waren wieder ein paar Affen auf Diebestour durch Orchha. Ich sitze gerade am Balkon, die Küchentür offen, plötzlich sehe ich einen Affen, der in unsere Küche will. Als er bemerkt, dass ich ihn sehe, bleibt er stehen und schaut mich an. Ich schaue ihn an. Ich will ihn keinesfalls in die Küche lassen, vor allem weil wir gerade erst frisches Obst gekauft haben und ich sicher nicht unsere Bananen mit diebischen Affen teilen will. Das Problem ist, so Affen sind ja nicht so ungefährlich, die kann man nicht einfach so vertreiben und dieser da macht keine Anstalten sich von der Küchentür wegzubewegen. Auf unserem Balkon stehen ein paar nicht gebrauchte Vorhangstangen, also beschließe ich unsere Küche zu verteidigen. Ich sichere mir den Rückzug, indem ich mich zur Wohnungstür stelle, nehme die Vorhangstangen und werfe sie - heilig hin oder her - gegen den Affen. Das nützt, er geht und ich schließe schnell die Küchentür.

Wir beobachten den Affen weiter, dieser geht mit einem Kollegen auf Chabattidiebstahl in die Wohnung unter uns, indische Affen wollen Chabatti und kein Toastbrot. Der Affe setzt sich dann im Garten vor die Tomatenstauden und isst gemütlich die Tomaten mit etwas Chabatti. Man hätte ihm durchaus noch ein Heferl indischen Massala-Chai hinstellen können um das Bild abzurunden.

Unsere Nachbarn unten schauen zu. Die Affen sind zwischenzeitlich ein Problem geworden, denn sie überfallen auch Menschen und ganze Märkte. Beizukommen ist denen nicht so leicht, denn die lassen sich nicht so einfach hinters Licht führen, dafür sind sie zu intelligent. Wenn man die Affen bei ihren Diebestouren beobachtet sieht man dass sie nicht nur schnell und leise sind, sondern auch überlegt und strategisch handeln.

Ja und dann kommt noch ein indisches Problem dazu. Affen, vor allem Hanuman Affen, sind heilig. Nach dem indischen Heldenepos Ramayana hat der Affengott Hanuman Gott Ram geholfen. Und in Orchha kommt erschwerdend hinzu, dass hier auch noch ein wichtiger Ram Tempel. Man kann also heiligen Diebe nicht einfach verjagen, deshalb ist das Problem ungelöst. In einer indischen Zeitung habe ich gelesen, dass es in Delhi ein Projekt geben soll den Affen manieren beizubringen, damit sie nicht mehr so viel stehlen. Diebische Affen werden gefangen und dann zu ehrlichen Affen erzogen, so ist das in Indien.

Freitag, 26. März 2010

Agra

Von Delhi aus fahren wir wieder zurück in Richtung Süden, zunächst nach Agra. In Agra steht das wohl berühmteste Bauwerk Indiens, das Taj Mahal. Ärgerlich ist der Eintrittspreis, der für Ausländer das Vierzigfache des Inländerpreises beträgt. Das entspricht zwar der indischen Abzockermentalität, ist aber völlig außer Verhältnis. Dennoch ist das Taj Mahal sicher eines der beeindruckendsten Bauwerke indo-islamischer Baukunst. Der Baustil ist persisch und erinnert uns an Isfahan, Buchara und Samarkand, nur dass das Taj Mahal weiß und nicht bunt ist. Gedacht haben die Architekten an alles, sogar darauf, dass das Gebäude im Sonnenauf- und -untergang im richtigen Licht steht. Die Legende besagt, dass der Erbauer Shah Jahan auf der anderen Seite des Flusses Yemuna quasi als Spiegelung das gleiche Gebäude in schwarz bauen wollte, sich das indische Mughalreich das aber nicht mehr leisten konnte. Ob das wirklich stimmt, ist noch nicht geklärt.

Nach zwei Tagen Agra fahren wir zurück in unsere Wohnung nach Orchha. Die Temperaturkurve geht immer noch steil nach oben, als wir gestern am Abend in unsere Wohnung kommen, hat es innen 37°C. Frühtemperatur draußen heute 30°C. Jetzt um 11 Uhr Vormittag hat es in der Wohnung 34°C, draußen ungefähr 36°C im Schatten. Ich habe das Gefühl, es wird jeden Tag noch wärmer. Die Temperaturen steigen weiterhin an bis im Juli der Monsun kommt, kurz vor dem Monsun steigt dann auch noch die Luftfeuchtigkeit auf fast 100%, da haben wir es jetzt mit 30% noch relativ angenehm. Trotzdem ist es nicht mehr angenehm hier, am Tag ist es so heiß, dass man sich kaum rühren kann und in der Nacht ist es so heiß, dass man nicht schlafen kann. Dazu kommt noch die Moskitoplage, Gelsen immer und überall, außer vielleicht in der Mittagshitze.

Dienstag, 23. März 2010

Kumbh Mela and Embassies

Letzten Mittwoch fahren wir von Orchha nach Delhi um unsere Visa zu beantragen. Am Donnerstag besuchen wir zunaechst die Oesterreichische Botschaft. Die Pakistani stellen Visa naemlich nur dann aus, wenn ein Empfehlungsschreiben des Heimatstaates vorliegt. Das Schreiben bekommen wir dort schnell ausgehaendigt, ja und ausserdem wirkt unsere Behoerde aufgeraeumt, besitzt offenbar importierte Bueromoebel und Toiletten, die Waende sind so ausgemalt, dass nur die Waende ausgemalt sind und nichts von der Einrichtung bricht zusammen, wenn man es benutzt. Alles in allem ein bisschen angenehmes Europa mitten in Indien.

Mit diesem Schreiben gehts zur pakistanischen Botschaft, oder genauer gesagt High Comission. Wir geben unsere Paesse und Antraege ab und bekommen einen Termin fuer ein persoenliches Interview am Montag. An diesem Tag war das alles recht einfach.

Uebers Wochenende fahren wir nach Haridwar und Rishikesh. Beide Orte sind heilige Orte am heiligen Fluss Ganges. Derzeit ist in Haridwar Kumbh Mela, das groesste hinduistische Fest, das jedes elfte Jahr in Haridwar stattfindet. Massenweise pilgern hier die Menschen her zwecks ritueller Waschungen am Ganges, der hier noch nicht so sehr verdreckt ist.

Wir bleiben in Rishikesh. Rishikesh ist nicht nur als Pilgerort bekannt, denn hier hielten sich 1968 die Beatles auf, hier entstanden viele Songs des White Albums. Ein Glueck fuer Rishikesh und den Tourismus.

Jedenfalls ist es ein netter Ort und da der Ganges noch halbwegs akzeptabel ist, kann man auch als Tourist seine Fuesse ins heilige Wasser halten (aber immer ohne Schuhe - wegen der Heiligkeit! - heilige Fluesse darf man nur mit Industriemuell und Abwaessern und was es sonst noch alles an denkbarer Umweltverschmutzung gibt verschmutzen, niemals aber mit Schuhen!)

Auf unserer Rueckreise sehen wir Pilger, die Ganges Wasser kanisterweise nach Hause transportieren. Da traegt schon mal jeder der Familie zwei 20l Kanister mit sich. Lourdes is nix dagegen.

Zurueck in Delhi freuen wir uns auf unseren Interviewtermin beim pakistanischen Konsul, wir haben schriftlich einen Termin um neun Uhr erhalten, also sind wir um diese Zeit dort.

Es gibt mehrere typische Treffpunkte hier, wo sich Overlander treffen. Also Goa oder Kathmandu, aber eben auch die pakistanische Botschaft in Delhi. Also sind wir hier nicht alleine.

Um 9 Uhr erhalten wir am Schalter eine Terminaenderung, der Termin findet um 9 Uhr 30 statt, saemtliche Termine fuer Auslaender (Inder zaehlen witzigerweise nicht zu den Auslaendern, sondern werden extra behandelt) werden dann noch ein ein Buch eingetragen und was dann passiert wird der absurdeste Botschaftsbesuch, den alle hier anwesenden Reisenden bisher erlebt haben.

Inder und Pakistani eint nicht nur die gemeinsame Geschichte und die Liebe zu Currygerichten und Bollywoodfilmen, nein sie eint auch die Faehigkeit, aus saemtlichen einfachen Alltagssituationen bestenfalls ein Chaos und schlimmstenfalls einen Tumult zu produzieren.

Man muss sich vorstellen, es sind jetzt ein paar Auslaender hier und einige hundert Inder. Wir werden eingelassen, an einem grossen Eisentor gibt es eine kleine Eisentuer, die ungefaehr so hoch ist, dass sie einem bis zum Bauch geht. Draussen steht eine Traube Inder (Inder bilden nie Schlangen, sondern immer Trauben), die hinein will, drinnen steht ein pakistanischer Beamter. Die Tuer wird geoeffnet, wir werden zuerst hineingelassen, aber als die ersten Inder hereinduerfen, hat man den Eindruck, es kommt zu einer Besetzung des Botschaftsgebaeudes. Nachdem der Innenhof halbwegs mit Indern befuellt ist, wird die Tuer geschlossen. Draussen drueckt eine Meute gegen die Tuer, drinnen stemmt sich ein Pakistani gegen die Tuer und versucht sie zu schliessen. Diese Szene wird sich den ganzen Vormittag nicht mehr aendern und jedes Mal wenn eine einzige Person hinaus oder herein muss, kommt es zu kampfaehnlichen Szenen an dieser viel zu kleinen Tuer. Inder koennen naemlich grundsaetzlich stunden (tage-?)lang warten (in Hockstellung) und ins Narrenkastl starren, aber sie koennen nicht warten, wenn sie ein Lenkrad in der Hand halten, sich eine Tuer oeffnet oder irgendein Name (nicht ihr eigener) aufgerufen wird. Hier setzt sich sofort die Traube in Bewegung und es kommt zur Meuterei. Voellig unmoeglich ist es fuer Inder auch zu warten, bis die Person, die vor ihnen drankommt, fertig ist.

Im Innenhof schafft ein voellig ueberforderter Pakistani Ordnung. Er haelt einen Metalldetektor in der Hand, nicht um ihn bestimmungsgemaess zu verwenden, nein, sondern er verwendet ihn eher als Dirigentenstab. Einmal links sitzen, dann muessen andere wieder rechts sitzen, dann ist irgendeiner ohne Genehmigung ins Botschaftsgebaeude gelaufen, den eskortiert er heraus oder es ist jemand irgendwie von draussen hereingekommen etc. etc. Der Pakistani schreit, die Inder schreien zurueck, dann schreien sich die Inder untereinander an und alles ist durcheinander. Dann versucht der Pakistani wieder Ordnung zu machen und das Spiel beginnt von Neuem.

Da sich niemand fuer uns zu interessieren scheint, erkundigen wir uns, was wir tun sollen. Wir fragen einen Beamten und erhalten die Auskunft, dass er sich selbst nicht auskennt, sich aber sicher ist, selbst nicht zustaendig zu sein. Also warten wir. Nach einer Stunde Wartezeit sagt uns der Dirigent mit dem Metalldetektor, dass der Interviewer noch gar nicht da ist. Also wieder warten.

Nachdem wir drei Stunden gewartet haben laesst uns der Dirigent hinein, nein nicht zum Interview, sondern ins Gebaeude und zwar in den Wartesaal. Und dort warten wir wieder. Die Inder werden namenweise aufgerufen und immer wenn ein Name aufgerufen wird, wuerde man glauben, geht diese Person zum Interview. Aber so ist das hier nicht, denn es stuermen 5 Inder (die sicher nicht alle so heissen) auf den Pakistani zu, der eigentlich nur einen Namen aufgerufen hat (und mir da schon fast leid tut, denn der hat einen ziemlich lebensgefaehrlichen Job). Vier werden abgedraengt, der richtige darf hinein, und dann schreien sie sich wieder alle wechselseitig an.

Ja und um das noch zu steigern kommen wir dann doch noch zum Interview, mit dreieinhalb Stunden Verspaetung. Der Konsul ist gut genaehrt, also kugelrund und laechelt uns mit seinem ebenso runden Gesicht an. Und dann beginnt die Befragung zunaechst einmal mit den ueblichen Fragen. Er nimmt unseren Pass und fragt uns wie wir heissen. Da wir das immer noch wissen ist das in Ordnung. Dann fragt er mich, was "the most fascinating part" von Carinas Gesicht ist. Das sind die grossen Augen, die ihm, wie er sagt, sofort aufgefallen sind. Dann noch zwei weitere Fragen, naemlich wieviele Geschwister wir haben und ob unsere Eltern eh wissen, dass wir gemeinsam unterwegs sind. Dann laechelt er nochmals und teilt uns mit, das Visum wird gleich ausgestellt, wir koennen es um fuenf am Nachmittag abholen. Aehnlich ist es den anderen Antragstellern gegangen, den einen empfahl er doch in naechster Zeit einmal zu heiraten, einem jungen Single-Man entliess er mit der Empfehlung sich dringend eine Freundin zu suchen. Frauen unterrichtete ueber die liberalen Attitueden in Pakistan, man koenne ueberall in kurzer Hose herumlaufen (ich bin mir nicht sicher, ob er schon ueberall in seinem Land war....). Andere wiederum wollten eigentlich nur ein Visum fuer zehn Tage, der Herr Konsul liess es sich aber nicht nehmen, eines fuer dreissig Tage auszustellen, zehn Tage sind ja doch sehr kurz (da koennten sich manch andere Botschaften mal was abschauen). Um fuenf sind wir wieder dort, im Prinzip ist auch offen, aber nicht ganz, denn um fuenf ist Prayer Time und da teilen die Beamte keine Paesse aus, sondern gehen beten (und dann muessen sie sich vermutlich erholen). Um kurz vor sechs sind wir aber erfolgreich und bekommen unsere Paesse mit dem pakistanischen Visum.

Da weiss man, worauf man stundenlang in der Hitze im Innenhof der pakistanischen Botschaft gewartet hat....., andererseits war das so typisch pakistanisch, dass ich mich schon freue wieder hinzufahren.

Nicht ganz so gut ist es bei der iranischen Botschaft gelaufen. Wir haben unsere Referenznummer per e-mail erhalten, das Aussenministerium hat unsere Visaerteilung also genehmigt. Die iranische Botschaft ist voellig anders als die pakistanische. Aufgeraeumt, modern, die relevanten Informationen sind im Schaukasten ausgehaengt, kein Chaos. Aber -das Problem - wir haben die Referenznummer, aber diese wurde von Teheran noch nicht an die Botschaft in Delhi geschickt. Also hat sie die Botschaft noch nicht und maybe morgen oder maybe irgendwann ist die dann da (das ist dann doch wieder asiatisch). Also wir warten doch immer noch auf unsere Referenznummer...

Freitag, 12. März 2010

Warten auf die Referenznummer

Ein paar Impressionen aus Orchha in Schwarzweiss:





Das iranische Reisebüro, das uns die Referenznummer des iranischen Außenministeriums für das Visum besorgen soll, hat sich bis jetzt nicht gemeldet. Ohne Genehmigung Teherans gibt es jedenfalls in Delhi kein Touristenvisum, wir machen also das, was man in Asien üblicherweise macht: wir warten. Am Mittwoch fahren wir aber mal nach Delhi und werden dort der Pakistani High Comission einen Besuch abstatten. Das pakistanische Visum dürfte ja nicht besonders kompliziert sein, wobei man hier anscheinend ein Empfehlungsschreiben der österreichischen Botschaft braucht. Keine Ahnung warum.

Mittwoch, 3. März 2010

Dienstag, 2. März 2010

Ausflug nach Varanasi

In Orchha und unserer Wohnung ist ein bisschen soetwas wie Alltag eingekehrt. Eingerichtet sind wir mittlerweile recht passabel. Unser Campinggeschirr haben wir um einige Teller, Schüssel und eine Pfanne erweitert. Metallgeschirr ist hier unglaublich billig, eigentlich ist es oft das gleiche, das man bei uns auch als Campinggeschirr kaufen kann, nur dass ein Markenaufdruck wie „Campinggaz“ und Zwischenhändler den Preis verzigfachen. Am wenigsten bleibt wohl dem, der die Sachen herstellt. Unsere letzte küchentechnische Errungenschaft ist ein indischer Einplattengaskocher um 300,- Rs. Das Befüllen der Gasflasche war eine eigene Sache. Weil der offizielle Gasmann nicht immer da ist, wird das Gas hier im Ort schwarz verkauft. Wir haben das auch machen lassen, hier ums Eck. Ohne Überfüllungsschutz hat der Gasmann mitten in seiner Wohnung das Gas von einer Gasflasche in die andere (also unsere) umgefüllt. Bei der Prozedur geht so viel Gas verloren, dass die ganze Wohnung des Gasmannes nur so nach Gas stinkt. Aber immerhin hat niemand mit dem Feuer gespielt und es ist nichts in die Luft geflogen - Sicherheitsbewusstsein ist hier nicht existent. Der Gaskocher ist für hier jedenfalls super und unser MSR Whisperlite Multifuel Kocher wird erst für die Heimfahrt wieder reaktiviert.

Die Temperaturen ändern sich ständig, besser gesagt, sie gehen steil nach oben. Innerhalb weniger Tage hat sich das eigentlich angenehme Wetter zum Hochsommer gewandelt (Hochsommer für unsere Begriffe), 33 Grad hat es jetzt plötzlich den ganzen Tag in der Wohnung. Wenigstens in der Nacht ist es derzeit noch erträglich. Soweit das aktuelle Wetter....

Letzte Woche sind vier Freunde aus Österreich zu besuch gekommen, Si-Phi, Edith, Ronald und Ilonka. Nach ein paar gemeinsamen Tagen in Orchha fahren wir letzten Donnerstag mit dem Nachtzug in die heiligste Stadt der Hindus – nach Varanasi, besser bekannt unter dem alten Namen „Benares“.

Der Zug war überfüllt, es hat sich doch als Fehler erwiesen, dass wir die billigere „Sleeper Class“ gebucht haben. In dieser Klasse gilt zwar reservierungspflicht, da aber die General Class so überfüllt war, dass die Leute keinen Platz mehr hatten, drängten diese in die Sleeper Class, die nächste höhere. In der Sleeper Class gibt es Betten, aber keine Abteile. Normalerweise kein Problem, da es genau so viel Tickets gibt wie Betten und sich ohne Reservierung hier niemand aufhalten darf. Nach dem Einsteigen mussten wir daher die auf unseren Betten sitzenden und schlafenden Inder vertreiben, die ohne Tickets unsere Plätze benutzten. Das ist nicht immer eine sehr freundliche Angelegenheit hier in Indien, aber geschafft haben wirs halbwegs.

Varanasi liegt am heiligen Fluss Ganges. Für einen Hindu ist es erstrebenswert hier nach dem Tod verbrannt zu werden. Die Asche wird in den Ganges gestreut. Nur wenige Menschen werden ohne Verbrennen in den Ganges geworfen, z.B. Kinder, Heilige oder Leute, die das Glück gehabt haben von einer heiligen Königskobra gebissen worden zu sein. Dann gehts ohne Verbrennung direkt ins Nirwana.

Wir lassen uns mit einem Boot den Ganges entlang fahren. Entlang der gesamten Stadt sind Ghats, also Stufen in den Ganges. Die Leute baden hier, waschen die Wäsche, putzen die Zähne oder trinken das Wasser. Alles weil der Ganges heilig ist, obwohl er so verschmutzt ist, dass alle diese Aktionen gesundheitlich sehr gefährlich sind. An den Ghats finden regemäßig religiöse Zeremonien und Gebete statt, die hinduistische Spiritualität ist hier spürbarer und allgegenwärtiger als in allen anderen Städten, die ich bisher in Indien gesehen habe.

An den Verbrennungsghats werden die Toten verbrannt. Faszinierend und fremd ist das für uns Europäer. Anders als bei uns finden diese hinduistischen „Begräbnisse“ mitten in der Stadt statt - neben Restaurants, Geschäften, Souvenirverkäufern und Touristen. Also alles ganz normal. Manche betteln hier auch um Geld für Verbrennungsholz – für ihre eigene Verbrennung.

Anders ist die Atmosphäre rund um unser Guesthouse, denn dieses liegt im muslimischen Viertel. In dieser heiligsten Hindustadt sind ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Moslems. In der Früh hören wir den Muezzin und Aufschriften sind vielfach in arabischen Schriftzeichen, also wahrscheinlich spricht man hier Urdu statt Hindi. Samstag war ein Feiertag für Muslime, überall hängen grüne Fahnen, ja sogar die grüne Fahne mit dem weißen Halbmond – die Flagge Pakistans – und das in der heiligsten Hindustadt in Hindustan. Spaziergänge hier erinnern mich stark an Spaziergänge in pakistanischen Städten. Einheit in der Vielfalt, typisch für Indien und eine der positiven Seiten dieses Landes.

Interessant und sehenswert ist auch das riesengroße Gelände der Benares Hindu University. Wir besichtigen den Universitätstempel und besuchen die Bibliothek. Im Vergleich zum Gewühl der Menschenmassen außerhalb des Geländes, ist der große und grüne Campus der Universität eine andere Welt.

Varanasi ist jedenfalls für mich bisher die faszinierendste und beeindruckendste Stadt Nordindiens. Wir wären gerne noch ein paar Tage länger geblieben, aber das indische Farbenfest Holi hält uns davon ab. Grundsätzlich ein lustiges traditionelles Fest, an dem sich alle gegenseitig mit Farbbeuteln bewerfen. Leider führen Frust und Alkoholismus nicht nur zu lustigen Feiern und da wir nicht einen ganzen Tag im Guesthouse verbringen wollen, fahren wir zurück und verbringen Holi in Orchha.

Für die Rückfahrt leisten wir uns eine bessere Klasse, also die zweitbeste, 2AC. Witzigerweise war der Zug aber sowieso fast leer und im 2AC Wagon waren wir und ein weiterer Gast die einzigen. Die Rückfahrt wird daher sehr angehm. Auf der Fahrt mit der Autorikschaw von Jhansi nach Orchha werden wir mit gefärbtem Wasser beworfen, also sind wir jetzt bunt. Vorbeugend haben wir schon im Zug altes Gewand angezogen, denn seit nicht mehr traditionelle natürliche Farben für das Fest verwendet werden, sondern künstliche, kann man das Gewand nicht mehr richtig reinigen. Unsere Freunde sind zwischenzeitig nach Mumbai geflogen und fahren von dort weiter nach Goa.

Es ist Anfang März und wir fangen mit der Organisation der Rückfahrt an, wir müssen Visa für Pakistan und den Iran besorgen. Die Referenznummer des iranischen Außenministeriums, die man hier bei der Iranischen Botschaft in Delhi braucht, habe ich heute bei einem iranischen Reisebüro bestellt. Innerhalb von zwei Wochen soll das da sein, Inshallah.