Dienstag, 2. März 2010

Ausflug nach Varanasi

In Orchha und unserer Wohnung ist ein bisschen soetwas wie Alltag eingekehrt. Eingerichtet sind wir mittlerweile recht passabel. Unser Campinggeschirr haben wir um einige Teller, Schüssel und eine Pfanne erweitert. Metallgeschirr ist hier unglaublich billig, eigentlich ist es oft das gleiche, das man bei uns auch als Campinggeschirr kaufen kann, nur dass ein Markenaufdruck wie „Campinggaz“ und Zwischenhändler den Preis verzigfachen. Am wenigsten bleibt wohl dem, der die Sachen herstellt. Unsere letzte küchentechnische Errungenschaft ist ein indischer Einplattengaskocher um 300,- Rs. Das Befüllen der Gasflasche war eine eigene Sache. Weil der offizielle Gasmann nicht immer da ist, wird das Gas hier im Ort schwarz verkauft. Wir haben das auch machen lassen, hier ums Eck. Ohne Überfüllungsschutz hat der Gasmann mitten in seiner Wohnung das Gas von einer Gasflasche in die andere (also unsere) umgefüllt. Bei der Prozedur geht so viel Gas verloren, dass die ganze Wohnung des Gasmannes nur so nach Gas stinkt. Aber immerhin hat niemand mit dem Feuer gespielt und es ist nichts in die Luft geflogen - Sicherheitsbewusstsein ist hier nicht existent. Der Gaskocher ist für hier jedenfalls super und unser MSR Whisperlite Multifuel Kocher wird erst für die Heimfahrt wieder reaktiviert.

Die Temperaturen ändern sich ständig, besser gesagt, sie gehen steil nach oben. Innerhalb weniger Tage hat sich das eigentlich angenehme Wetter zum Hochsommer gewandelt (Hochsommer für unsere Begriffe), 33 Grad hat es jetzt plötzlich den ganzen Tag in der Wohnung. Wenigstens in der Nacht ist es derzeit noch erträglich. Soweit das aktuelle Wetter....

Letzte Woche sind vier Freunde aus Österreich zu besuch gekommen, Si-Phi, Edith, Ronald und Ilonka. Nach ein paar gemeinsamen Tagen in Orchha fahren wir letzten Donnerstag mit dem Nachtzug in die heiligste Stadt der Hindus – nach Varanasi, besser bekannt unter dem alten Namen „Benares“.

Der Zug war überfüllt, es hat sich doch als Fehler erwiesen, dass wir die billigere „Sleeper Class“ gebucht haben. In dieser Klasse gilt zwar reservierungspflicht, da aber die General Class so überfüllt war, dass die Leute keinen Platz mehr hatten, drängten diese in die Sleeper Class, die nächste höhere. In der Sleeper Class gibt es Betten, aber keine Abteile. Normalerweise kein Problem, da es genau so viel Tickets gibt wie Betten und sich ohne Reservierung hier niemand aufhalten darf. Nach dem Einsteigen mussten wir daher die auf unseren Betten sitzenden und schlafenden Inder vertreiben, die ohne Tickets unsere Plätze benutzten. Das ist nicht immer eine sehr freundliche Angelegenheit hier in Indien, aber geschafft haben wirs halbwegs.

Varanasi liegt am heiligen Fluss Ganges. Für einen Hindu ist es erstrebenswert hier nach dem Tod verbrannt zu werden. Die Asche wird in den Ganges gestreut. Nur wenige Menschen werden ohne Verbrennen in den Ganges geworfen, z.B. Kinder, Heilige oder Leute, die das Glück gehabt haben von einer heiligen Königskobra gebissen worden zu sein. Dann gehts ohne Verbrennung direkt ins Nirwana.

Wir lassen uns mit einem Boot den Ganges entlang fahren. Entlang der gesamten Stadt sind Ghats, also Stufen in den Ganges. Die Leute baden hier, waschen die Wäsche, putzen die Zähne oder trinken das Wasser. Alles weil der Ganges heilig ist, obwohl er so verschmutzt ist, dass alle diese Aktionen gesundheitlich sehr gefährlich sind. An den Ghats finden regemäßig religiöse Zeremonien und Gebete statt, die hinduistische Spiritualität ist hier spürbarer und allgegenwärtiger als in allen anderen Städten, die ich bisher in Indien gesehen habe.

An den Verbrennungsghats werden die Toten verbrannt. Faszinierend und fremd ist das für uns Europäer. Anders als bei uns finden diese hinduistischen „Begräbnisse“ mitten in der Stadt statt - neben Restaurants, Geschäften, Souvenirverkäufern und Touristen. Also alles ganz normal. Manche betteln hier auch um Geld für Verbrennungsholz – für ihre eigene Verbrennung.

Anders ist die Atmosphäre rund um unser Guesthouse, denn dieses liegt im muslimischen Viertel. In dieser heiligsten Hindustadt sind ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Moslems. In der Früh hören wir den Muezzin und Aufschriften sind vielfach in arabischen Schriftzeichen, also wahrscheinlich spricht man hier Urdu statt Hindi. Samstag war ein Feiertag für Muslime, überall hängen grüne Fahnen, ja sogar die grüne Fahne mit dem weißen Halbmond – die Flagge Pakistans – und das in der heiligsten Hindustadt in Hindustan. Spaziergänge hier erinnern mich stark an Spaziergänge in pakistanischen Städten. Einheit in der Vielfalt, typisch für Indien und eine der positiven Seiten dieses Landes.

Interessant und sehenswert ist auch das riesengroße Gelände der Benares Hindu University. Wir besichtigen den Universitätstempel und besuchen die Bibliothek. Im Vergleich zum Gewühl der Menschenmassen außerhalb des Geländes, ist der große und grüne Campus der Universität eine andere Welt.

Varanasi ist jedenfalls für mich bisher die faszinierendste und beeindruckendste Stadt Nordindiens. Wir wären gerne noch ein paar Tage länger geblieben, aber das indische Farbenfest Holi hält uns davon ab. Grundsätzlich ein lustiges traditionelles Fest, an dem sich alle gegenseitig mit Farbbeuteln bewerfen. Leider führen Frust und Alkoholismus nicht nur zu lustigen Feiern und da wir nicht einen ganzen Tag im Guesthouse verbringen wollen, fahren wir zurück und verbringen Holi in Orchha.

Für die Rückfahrt leisten wir uns eine bessere Klasse, also die zweitbeste, 2AC. Witzigerweise war der Zug aber sowieso fast leer und im 2AC Wagon waren wir und ein weiterer Gast die einzigen. Die Rückfahrt wird daher sehr angehm. Auf der Fahrt mit der Autorikschaw von Jhansi nach Orchha werden wir mit gefärbtem Wasser beworfen, also sind wir jetzt bunt. Vorbeugend haben wir schon im Zug altes Gewand angezogen, denn seit nicht mehr traditionelle natürliche Farben für das Fest verwendet werden, sondern künstliche, kann man das Gewand nicht mehr richtig reinigen. Unsere Freunde sind zwischenzeitig nach Mumbai geflogen und fahren von dort weiter nach Goa.

Es ist Anfang März und wir fangen mit der Organisation der Rückfahrt an, wir müssen Visa für Pakistan und den Iran besorgen. Die Referenznummer des iranischen Außenministeriums, die man hier bei der Iranischen Botschaft in Delhi braucht, habe ich heute bei einem iranischen Reisebüro bestellt. Innerhalb von zwei Wochen soll das da sein, Inshallah.

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